Setze deinen eigenen Kurs – schalte den Autopilot aus.

Verflixt, es ist schon halb acht, die frische Windel muss noch ans Kind, die Zähne sind noch nicht geputzt und der Kaffee wird langsam auf dem Tisch zu einer Bohnen-Kaltschale. Dabei müssen wir eigentlich seit zehn Minuten auf dem Weg in den Kinder­garten sein. Stress pur. All­tag. Viele Eltern kennen diese Situation, wenn aus scheinbar einfachen Auf­gaben plötzlich ein Gebirge aus Kriegs­schauplätzen wird. Wenn einfach nichts so laufen will, wie es sollte, um doch noch dem Plan im Kopf zu entsprechen. Und genau in diesen Situation packt er zu, der verdammte Auto­pilot.

Der Schrottplatz in deinem Hirn

Hattest du dir eigentlich auch vorgenommen, alles ganz anders zu machen, als deine Eltern? Hehre Vorsätze, liebe­voller, wert­schätzender, unter­stützender zu sein, diese dummen Abwertungen zu vermeiden, die dich selber dein Leben lang begleiten. Diese „wie-kann-man-nur-so-blöd-sein“-Sätze, die ein Vakuum in deinem Bauch entstehen lassen, das alle Selbst­sicherheit verschlingt, wenn die Stimme sich wieder in den Kopf schleicht.

Und schaust du dir in den entscheidenden Momenten dabei zu, wie genau diese Vor­sätze ohne Glanz und Gloria scheitern? Wie du genau diese Sätze zu deinem Kind sagst? Oder zu dem Menschen an deiner Seite? Um genau das dann wenig später zu bereuen und dich zu fragen, wie es dazu kommen konnte, wo du doch…

Der Auto­pilot in deinem Kopf scheint bestens zu wissen, wo er auf dem Schrott­platz der giftigen „Weis­heiten“ genau die unpassenden Reaktionen findet, die du ja eigentlich vermeiden möchtest. Und weißt du was? Passiert mir auch ständig. Der Unter­schied? Ich kenne den Aus-Knopf und übe, ihn zu drücken. Lass' mich ihn dir zeigen.

Die Lösung, die du schon kennst

Das Schöne an dem Aus-Knopf für diesen Auto­piloten ist: du kennst ihn schon. Nur hast du vielleicht noch nicht daran gedacht, dass du ihn bewusst drücken kannst. Es ist…

…dein Atem.

Aber von vorne: was ist dieser Auto­pilot eigentlich? Wieso sabotiert er so effektiv deine guten Vor­sätze und über­rollt dich, wenn du es gerade am wenigsten brauchst? Weil er total Sinn macht. Oder besser: gemacht hat. Denn dein Auto­pilot ist nichts anderes als eben der Verwalter deines inneren Schrott­platzes, der jeden Winkel bestens kennt und immer wieder der Meinung ist, dass doch dieses oder jenes rostige Stück Alt­metall perfekt zu deiner Situation passt. Und sein Motor läuft auf Stress. Stress reduziert, kurz gesagt, deine Fähigkeit im Hier und Jetzt zu denken, fühlen und zu handeln. Statt dessen aktiviert er den Auto­piloten, denn der spart Energie und liefert schnelle, schon erprobte Ergebnisse. Verspricht er ja auch ständig, um seinen Job zu behalten. Und manchmal klappt es ja auch.

Was also kannst du tun, um den Schrott­platz zu umgehen und bei dir zu bleiben, statt auf Alt­lasten (die manchmal echt eklig sein können, auch wenn der Auto­pilot sie als „eigentlich brand­neu und perfekt in Schuss“ verkaufen will) zurückzu­greifen, die dir nachher ein mieses Gefühl in der Magen­gegend verschaffen?

Atmen.

Ich habe meine Lösung in keinem Erziehungs­ratgeber, sondern auf der Bühne mit meiner Metal­band und beim Karate gelernt. Denn die sicherste Methode gegen Stress bei einem Gig ist es, zu atmen. Sich selbst mit dem eigenen Körper in Gleich­klang zu bringen und ins Fühlen zu kommen. Sich selbst zu spüren und sich vor allem einen Vor­sprung vor dem Auto­piloten zu verschaffen, indem man erst einmal tief Luft holt.

Was macht der Atem? Er regelt den Puls runter. Er versorgt den Körper mit überlebens­wichtigem Sauer­stoff. Und er bringt dich – ja, das klingt esoterisch – in Kontakt mit deiner Mitte, statt in deinem Kopf­kino davon zu schwirren. Aber hey, warum solltest du auf mich hören? Frag' doch die richtig harten Jungs. Navy SEALs schwören auf die Technik des Box Breathing, um in Extrem­situationen Stress zu bewältigen. Such' ruhig mal danach und lerne diese einfache Technik, um deinen Atem und deinen Stress zu regulieren.

Luft vs. Autopilot

Also, wenn du das nächste Mal Gefahr läufst, in den Stress­tunnel zu fahren und dabei das Steuer an den Auto­piloten abzugeben, atme erst einmal tief durch. Halt' kurz inne. Was ist das Schlimmste, was passieren kann? Wem versuchst du gerade etwas zu beweisen? Wem willst du es recht machen? Muss das alles wirklich gerade unbedingt alles so streng nach Plan laufen? Was ist dir wichtig? Und dabei immer schön ein- und wieder aus­atmen. Lass' dir Zeit, zu fühlen und dann erst zu denken. Was fühlst du? Wo fühlst du es? Was bedeutet es für dich?

Und dann schau' dir dein Gegen­über an: ist es dein Kind, klein, unerfahren und auf dem Weg, das Leben zu lernen? Ist es dein:e Partner:in, an deiner Seite und in deinem Herzen? Wie siehst du sie jetzt, wo du atmest? Wollte dein Auto­pilot sie gerade zu einem Säbelzahn­tiger machen, der kurz davor ist, dich zu zerfleischen? Ist das realistisch? Was an der instinktiven Reaktion macht Sinn? Wobei will sie dir helfen? Kannst du dich dafür oder dagegen entscheiden?

Jepp, und schon hast du deinen Auto­piloten aus­geschaltet und bist selbst am Steuer. Und keine Sorge: das klappt sicher nicht immer. Aber mit jedem Mal macht es Lust auf mehr, weil es dir zeigt, wer du wirklich bist und sein willst. Wie alles im Leben will auch das geübt werden – mindestens 1000 Stunden, bis es wirklich verinnerlicht ist. Viel Spaß beim Üben!

Und wenn du weiter daran arbeiten möchtest, im Hier und Jetzt und du selbst zu sein, bin ich gerne für dich da! Sag' Bescheid!