Was? Der tut doch so gleichberechtigt – und jetzt erklärt er aktive Vaterschaft für schädlich?! Woher der Sinneswandel?
Ich möchte meinen Begriff der präsenten Vaterschaft der weitverbreiteten aktiven Vaterschaft gegenüberstellen. Dabei ist ganz klar: es geht nicht um „richtig“ oder „falsch“, sondern um die Frage nach der Wahrnehmung, die immer subjektiv ist. Gleichzeitig möchte ich dich aber auch anregen, kritisch mit deiner Vorstellung von gleichberechtigter Partnerschaft, Vater- und Mann-Sein in Kontakt zu gehen.
Der Fluch der Aktivität
Mann-Sein ist eine Aktivität. Jeden Tag müssen Männer unter Beweis stellen, dass sie dieses Prädikat auch wirklich verdient haben. Das zeigt sich schon in unserer Sprache: man(n) muss „seinen Mann stehen“, es gilt „ein Mann, ein Wort“ und Mann ist man(n) nicht, sondern wird „zum Mann gemacht“.
Vielleicht kennst du auch die vielen Beschämungen, die heranwachsende Männer einander antun, um sich der eigenen Männlichkeit zu vergewissern und gleichzeitig die der anderen abzuerkennen: „was für eine Memme“ (Angst ist unmännlich), „so eine P***y“ (alles Weibliche wird abgewertet und als Schwäche verachtet), „das ist ja total schwul“ (gleichgeschlechtliche Liebe unter Männern ist verboten).
Es bleibt also ein ständiger Kampf gegen Windmühlen, in der traditionellen Männlichkeitswelt Mann zu sein. Kein Wunder also, dass diese Art Performance-Druck gesundheitsschädlich ist: Männer* sterben im Schnitt früher, öfter als Betroffene von Gewaltverbrechen und neigen eher zu Drogenmissbrauch und durchgeführtem Suizid.
Aktiv zu sein ist der Fluch der Männer*.
Vaterschaft als Aktivität
„Aktive Vaterschaft“ ist ein weiterer Begriff, der für mich die Gefahr birgt, zu noch mehr Performancedruck zu führen. Als ginge es um die Quantität, also wie oft und wie viel ich als Vater Verantwortung übernehme, und nicht die Qualität, also das wie es sich anfühlt und wie intensiv die gemeinsame Zeit ist.
Natürlich macht es gerade in der frühen Phase Sinn, häufig anwesend zu sein und sich aktiv an dem Einleben als Familie zu beteiligen. Allerdings geht es dabei viel zu oft und zu schnell um richtig oder falsch, um Erwartungen, es anders, besser zu machen, als der eigene Vater. Das verleitet viele junge Väter dazu, in einen inneren Wettbewerb zu gehen und sich zu fragen: „Mache ich genug?“
Vatersein ist aber keine Aktivität, sondern eine Rolle. Vatersein hat zwar einen Anfang, aber kein Ende. Und es gibt zwar moralische und ethische Grundlagen dessen, was gute Vaterschaft ausmacht – aber keine Kennzahlen, wie viele Windeln du gewechselt, auf wie viele Stunden Schlaf du verzichtet haben oder wie häufig du beim Elternabend in der Kita/Schule anwesend gewesen sein musst, um ein guter Vater zu sein.
Häufig versuchen Väter, die Beziehung zu ihren Kindern so zu gestalten, wie sie gute Freundschaften pflegen (wenn sie welche haben, was schon ein großes Glück ist): über gemeinsame Aktivität. So genannte side-by-side-Aktivitäten sollen Intimität aufbauen, indem Interessen geteilt und Zeit mit einander gestaltet wird. Allerdings geht es bei der Beziehung zu den eigenen Kindern nicht um das was, sondern das wie. Wie präsent ist eine Bezugsperson? Wie angenehm und sicher fühlt sich die Beziehung an? Wie stark fühle ich mich angenommen und für mein So-Sein wertgeschätzt?
Präsente Vaterschaft
Statt ein aktiver Vater zu sein, versuche doch lieber mal, ein präsenter Vater zu sein. Präsent meint nicht, dass du eine Stempeluhr aufhängst und Stunden ableistest. Es geht vielmehr darum, wirklich emotional und geistig anwesend zu sein, wenn du Zeit mit deinem:n Kind:ern verbringst.
Oft genug lenkt uns etwas ab. Das Handy, der nächste Termin, das große Projekt, der nächste Einkauf. Kinder sind viel stärker als Erwachsene auf das Hier und Jetzt fokussiert – lass dich in dieses Gravitationsfeld des Hier und Jetzt einfach mal reinfallen. Es geht nicht um Effizienz (etwas richtig zu tun), sondern um Effektivität (das Richtige tun), wenn du deine Vaterrolle ausfüllst.
Präsent zu sein hat viel damit zu tun, sich selbst zu spüren, nicht im Gestern, Morgen und Sonstwo zu sein, sondern im Hier und Jetzt. Bewusst zu atmen, sich einzulassen auf das, was gerade passiert und es geschehen lassen. Spontan zu sein und Intimität entstehen zu lassen, indem ich weniger die Konsequenzen meines Denken, Fühlen und Handelns in den Fokus nehme. Das erfordert Mut und eine Gelassenheit, die am besten entsteht, wenn dir klar ist, was dir in deiner Vaterrolle Orientierung und Erdung gibt.
Hier ein paar Fragen, die dir helfen könnten, deinen Weg zur präsenten Vaterschaft zu finden:
- Wie kannst du deinem Kind deine Liebe heute zeigen?
- Wann fühlst du dich ganz bei dir selbst?
- Was ist dir als Vater wichtiger: ein toller Ausflug oder das Gefühl, das dabei entsteht? Welches Gefühl ist das?
- Was wünscht du dir: viele Aktivitäten oder intensive Glücksmomente? Was macht diese Momente aus?
Vielleicht fallen dir noch mehr Fragen ein?
Sei gut zu dir und auf Wiederlesen!