Statur vor Hochhaus

In der Corona­krise müssen immer mehr Beschäftigte in Kurz­arbeit gehen, was vor Stellen­abbau schützen soll. Gleich­zeitig bringen die Ein­bußen im Gehalt (Kurzarbeits­geld sind bis jetzt 60% des letzten Netto­gehalts bei kinder­losen und 67% bei Beschäftigten mit Kindern) auch viele in ziemliche Bedrängnis. Als Familien­vater und Kurzarbeits­erfahrener kann ich sehr gut nach­vollziehen, dass dies­bezüglich bei vielen Männern die Alarm­glocken schrillen. Ein paar Gedanken, was du jetzt für dich und deine Familie tun kannst, schreibe ich dir in diesem Beitrag.

Kurzarbeit mal anders betrachtet

Kurzarbeit in einer sowieso unübersichtlichen Zeit – da hilft es, die Perspektive zu verändern.

Wendeltreppe
In unübersichtlichen Zeiten lohnt es sich, die Perspektive zu verändern. (Photo by Rhythm Goyal on Unsplash)

Kurzarbeit ist Mist. Das war zumindest das, was mir zuallererst durch den Kopf schoss, als ich das erste Mal damit konfrontiert war. Zunächst einmal die Sorge um den Arbeits­platz – denn Kurz­arbeit ist ja ein Mittel, um betriebs­bedingte Kündigungen zu vermeiden und ist entsprechend ein deutliches Zeichen, dass des der Firma nicht gut geht. Dann aber auch der Aspekt, dass oft Unsicherheit darüber entsteht, was die Ein­bußen genau für einen selbst bedeuten.

Wenn du nun von Kurz­arbeit betroffen bist, könntest du die Sache auch anders betrachten: es ist Zeit, die dir zur Verfügung gestellt wird und die du für dich und deine Familie nutzen darfst. Denn normaler­weise würdest du ja arbeiten, in Kurz­arbeit tust du aber genau das eben meistens nicht. Und somit ist es dein gutes Recht, deine Zeit in andere Lebens­bereiche umzuverlagern. Ein Bekannter, der seit Wochen in 100% Kurz­arbeit ist, hat es schon als seine zweite Eltern­zeit bezeichnet.

Also: sieh' es doch mal so.

An die Quelle der Beunruhigung gehen

Brunnen
Steckt hinter deinen Sorgen vielleicht eine ältere Über­zeugung, was du als Mann und Vater zu leisten hast? (Photo by M Angie Salazar on Unsplash)

Der Perspektiv­wechsel fällt dir schwer, weil du nun mal Sorgen um deinen Job hast und vor allem, was das für die Versorgung deiner Familie bedeutet? Dann möchte ich dich ein­laden, mal in dich hineinzuhören, woher diese Unruhe genau kommt. Und mit welcher Stimme sie spricht. Denn es könnte ja sein, dass da ein altes Programm abläuft, dass dir sagt, dass du als Mann ja für deine Familie zu sorgen hast. Das muss doch aber gar nicht nur so sein.

Wenn du also heraus­finden kannst, woher diese Beunruhigung kommt und was genau ihr Bedürfnis ist (zum Beispiel, Anerkennung von deiner Partnerin dafür zu bekommen, dass du so viel Geld nach Hause bringst), dann schau' doch mal, ob dieses Bedürfnis nicht auch ander­weitig während der Kurz­arbeit befriedigt werden kann. In meinem Beispiel steht dahinter ein starkes Beziehungs­anliegen. Und es bietet sich doch an, in der neu gewonnenen Zeit durch die Kurz­arbeit mal nachzuforschen, ob es nicht auch andere Wege gibt, diese Anerkennung zu bekommen. Zum Beispiel, indem du dich noch intensiver mit deiner Rolle als Vater beschäftigst.

Lass' deine Kompetenzen sprechen

Vielleicht geht es dir aber auch einfach so, dass du deine Arbeit magst und dir die Zeit im Beruf wegen der Kurz­arbeit fehlt. Dann überleg' dir doch, was es genau ist, was dir da fehlt und such' es in anderen Bereichen deines Lebens. Vielleicht kannst du etwas von deinem technischen Verständnis oder deinen Humor bei der Haus­arbeit ein­bringen. Oder ein neues persönliches Projekt starten. Oder Kontakt zu alten Freunden auf­nehmen. Du wirst nämlich gebraucht! Nicht nur in deiner Erwerbs­tätigkeit, sondern auch in deinen Beziehungen.

Wir Männer neigen ja dazu, Seite-an-Seite-Aktivitäten zu bevorzugen, also solche, bei denen man(n) gemeinsam Zeit verbringt, ohne sich in die Augen zu schauen, zum Beispiel gemeinsam ins Stadion gehen, Filme gucken, etc. Die Kurz­arbeit gibt dir aber vielleicht auch eine tolle Gelegen­heit, mal anders an deine Beziehungen heranzugehen und dich neu auszuprobieren. Mal einen Freund danach fragen, wie es ihm gerade geht – also so richtig, mit Gefühlen und allem. Hui. Gefährlich, oder? Du musst dich nicht über­fordern, schau' einfach mal, wie du dich als Mensch außer­halb vom Job ein­bringen kannst. Du wirst über­rascht sein, wie viel positive Energie du dadurch zurück­bekommst.

Kurzarbeit ist (auch) okay

Zu guter Letzt will ich dir noch sagen, dass es völlig okay ist, wenn du wegen der Kurz­arbeit und allgemein unsicheren Situation beunruhigt bist. Wenn du dir Sorgen um eure Finanzen machst. Wenn du dir vor­kommst, wie ein Verlierer, der sein Leben nicht im Griff hat. Mir ging es genau so! Und vielen anderen geht es genau so! Diese Krisen­zeit ist eine unfassbare Heraus­forderungen in so vielen Bereichen deines Lebens, die Kurz­arbeit nur ein Symptom davon. Und wie vieles andere entzieht sie sich deiner Kontrolle. Du kannst nichts dafür!

Du bist aber auch nicht weniger wert als Mann und Mensch, wenn dein Job gerade nicht unter dem besten Stern steht. Du bist auch deswegen kein schlechter Partner oder Vater. Die vermeintliche Rolle als Versorger der Familie ist eine riesige Über­forderung, die du gerne hinter dir lassen darfst, wenn du dich dazu bereit fühlst. Du darfst deiner Partnerin auch von deinen Sorgen und Ängsten erzählen – das macht dich nur noch stärker.

Und wenn du dazu noch nicht bereit bist, dann darfst du dir trotzdem Unter­stützung holen. Du darfst um Hilfe bitten und deine Sorgen teilen. Denn sie sind echt und sie haben Bedeutung.

Pass' gut auf dich auf und bleib' bitte gesund!

Dein Sven

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