Kennst du das Gefühl, alles um dich herum auszublenden, mit dem was du tust eins zu sein und nachher nicht mehr zu wissen, wie lange du derart abgetaucht warst? Dann kennst du den Flow. Oder, wie es der Jenaer Soziologe Hartmut Rosa beschreibt: Resonanz. Und genau dieses Erlebnis kennst du auch, wenn du an einem meiner Workshops mit der LEGO® SERIOUS PLAY®-Methode teilgenommen hast.
Was ist Resonanz?
Mit Resonanz nimmt Hartmut Rosa in seinem Buch „Resonanz: Eine Soziologie der Weltbeziehung.“ einen dicken Brocken der Kritischen Theorie in Angriff, nämlich die Frage, was das Gegenteil von Entfremdung sei. Der Begriff der Entfremdung stammt aus der Marx'schen Analyse des Kapitalismus und beschreibt das Phänomen, dass Arbeitende ihre Arbeitskraft, bzw. deren Ergebnisse an so genannte Arbeitgeber:innen veräußern und damit nicht mehr selbst darüber verfügen. Das führt zu einer Art Abspaltung der Arbeitskraft von den so genannten Arbeitnehmer:innen und letztlich zum bekannten Konflikt, der sozialen Frage.
Aber die Frage, die Rosa beschäftigt, ist eben die nach dem Gegenteil von Entfremdung: wie beschreibt man eigentlich den Zustand, wenn wir uns ganz bei uns selbst erfahren? In der Kritischen Theorie gab es dafür bereits einige Vorschläge, wie zum Beispiel die Anerkennung bei Axel Honneth, einem Schüler von Jürgen Habermas. Aber dessen Analyse geht Rosa nicht weit genug. Also wirft er sein Netz etwas großflächiger aus und findet schließlich im vom Glücksforscher und Psychologen Mihály Csíkszentmihályi vorgestellten Begriff des Flow eine passende Umschreibung. Kurz gesagt beschreibt der Flow einen Korridor zwischen Anspruch und Kompetenz, der stetig ansteigt und damit immer einen passenden Ausgleich zwischen meiner momentanen Kompetenz und dem Wachsen an einer neuen Herausforderung findet. Dieses ständige Pendeln zwischen „Hmmm, wie schaffe ich das?“ und dem „Jetzt weiß ich es!“ sorgt für eine permanente Motivation und gleichzeitig auch angemessene Belohnungen.
Der Begriff der Resonanz, für den sich Rosa schließlich entscheidet, ist nicht neu – allerdings in seiner umfassenden Definition noch nicht etabliert. Er beschreibt Resonanz, ganz im musikalischen Sinne, als schwingenden Draht zwischen dem Inidividuum und der Außenwelt.
Drei Ebenen der Resonanzerfahrung
Diese Schwingung lässt sich auf drei Ebenen erkennen: der sozialen, der transzendentalen und der objektorientierten Ebene.
Auf der sozialen Ebene kennen wir die Gespräche mit Freund:innen, die wie im Flug vergehen. Solche Beziehungssituationen, die unser Gefühl von Raum und Zeit scheinbar dehnen, können Resonanz-Erlebnisse sein.
Die transzendentale Ebene kann unsere Verbindung zu einer Idee, einem Mythos oder auch eine religiöse Erfahrung sein. Wenn Sie schon einmal in einem Musikstück versunken sind, wissen Sie, wovon ich spreche. Dasselbe kann natürlich auch für eine mathematische Formel gelten… 😉
Auf der Objektebene können wir in Resonanz mit der dinglichen Welt sein, also zum Beispiel mit unserer Briefmarkensammlung, einer Stradivari oder unseren Spielzeugautos (mein Sohn würde letzterem sicher zustimmen).
LSP und Resonanz
Was hat nun die LEGO® SERIOUS PLAY®-Methode mit Resonanz zu tun? Ich behaupte: alles! LSP-Workshops sind immer nach dem Flow-Prinzip aufgebaut – folgen also einer Logik der steigenden Anforderung bei gleichzeitiger Belohnung. Meine Aufgabe als Facilitator ist es, der Gruppe ein möglichst einheitliches Flow-Erleben zu ermöglichen, indem ich den (esoterisch gesagt) Energielevel der Gruppe und aller Teilnehmenden im Auge behalte und nötigenfalls die Struktur des Workshops anpasse.
Und unter Resonanz-Gesichtspunkten ist LSP eindeutig wirksamer, als jedes PowerPoint-Meeting! Schauen wir uns die Resonanzebenen einmal an:
Sozial
Auf der sozialen Ebene sorgt LSP für eine ausgeglichene Kommunikation in der Gruppe, Power Play wird unterbunden, Hierarchien eingeebnet und alle können tatsächlich beitragen, denn davon lebt LSP. Indem alle ihr LEGO-Modell vorstellen, ist für wirkliche Teilhabe gesorgt. Und darüber hinaus ist das gemeinsame Reflektieren über die Modelle fester Bestandteil des Prozesses. Indem ausschließlich über die Modelle gesprochen wird, werden persönliche Konflikte umgeleitet in konstruktive und ko-kreative Kommunikation, die Schutz für die Einzelnen bietet. So kommt eine Gruppe in einen gemeinsamen, sozialen Resonanzraum.
Objekt
Auf der Objektebene ist die Eigentümerschaft am gebauten Modell absolut nachvollziehbar und immer gleich da. Schon das erste Öffnen der „eigenen“ Tüte mit Bausteinen sorgt für Resonanzerlebnisse. Dass alle ein eigenes Modell bauen ist aber nur die Spitze des Eisbergs. Der Vergleich zur „Zurücklehnen“-Haltung in klassischen Besprechungen ist immer wieder erstaunlich. Denn beim Hantieren mit den bunten Bausteinen lehnen sich plötzlich alle nach vorne und sind hochkonzentriert bei der Sache, entrückte Gesichter sind dabei die Regel. Klares Signal für eine starke Resonanzsituation.
Transzendenz
Und dann noch die Sache mit den Metaphern: auf der transzendentalen (bei Rosa auch vertikalen) Achse der Resonanz spielt LSP seine Vorteile für die Teamkommunikation voll aus. Um es mit den Worten eines Teilnehmenden aus der IT zu sagen: „Endlich habe ich verstanden, wovon DIE immer reden!“ Mit „die“ waren die Grafikdesigner gemeint. Denn dieselbe Sprache haben diese beiden Parteien nie gesprochen. Nur anhand der in bunte Modelle gegossenen Metaphern, für die LSP sorgt, wurde plötzlich eine wirkliche Kommunikation über Ideen, Gedanken und Werte möglich. Was vorher abstrakt im Äther rumwaberte und für Unverständnis sorgte, war nun greifbar auf dem Tisch. Und somit können alle in Resonanz zu den Baustein-gewordenen Ideen gehen.
Kann man nicht erklären, muss man erleben
Hast du es bis hierhin geschafft? Glückwunsch, das war ja durchaus harter Tobak! Aber so wirklich WISSEN wirst du jetzt immer noch nicht, wie das mit diesem LEGO® SERIOUS PLAY® eigentlich funktioniert. Meine Empfehlung: eine Test-Session, bei der du die Methode LSP und vor allem die Resonanz selbst erfahren kannst.
Frag' mich als Facilitator anAlle Fotos sind bei meiner letzten Test-Session im in:it coworking lab Schwäbisch Gmünd enstanden, herzlichen Dank an die Fotografin Anna Biesinger!