Mann im Homeoffice

Das Home Office hat gerade Hoch­konjunktur – und das trifft viele Menschen unvorbereitet. Wenn du wie ich außer­dem auch noch Papa bist, dann kommen durch den Weg­fall von Kinder­betreuung jetzt einige zusätzliche Heraus­forderungen auf dich zu. Ich möchte dir ein paar meiner Erfahrungen als Papa im Home Office teilen, die dir helfen können, deinen neuen All­tag gut zu gestalten.

Das Papa Office

Als ich mich selbst­ständig gemacht habe, war mein Sohn bereits unter­wegs. Die Vor­stellung, gleich­zeitig selbst­bestimmt von daheim zu arbeiten und gleich­zeitig eine aktive Rolle als Vater über­nehmen zu können, hat mich sehr begeistert. Und als es dann so weit war, sollten sich einige meiner Hoffnungen bestätigen – und mindestens genauso viele Heraus­forderungen zeigen.

Ausgleich schaffen

Tatsächlich begann meine aktive Vater­schaft aber schon weit vor der Geburt. Ich habe mir bewusst alle Untersuchungs­termine meiner Frau frei gehalten und konnte so bei jedem Gespräch mit Frauen­ärztin und Hebammen dabei sein. Das hat unserer Partner­schaft und meiner eigenen, mentalen Vor­bereitung aufs Papa-Dasein sehr gut getan.

Und diese Entspannung im privaten Kontext hat auch meinem Job gut getan. Es ist nun mal leider so, dass wir uns oft schwer tun, Privates voll­ständig von Beruflichem zu trennen. Das ist okay! Du darfst dir Sorgen machen und du darfst dich auch darum kümmern, dass sie dich nicht auf­fressen. Nutze die Frei­heiten des Home Office gezielt für einen bewussten Aus­gleich zwischen den Polen. Natürlich immer so, dass der jeweils andere nicht darunter leidet.

Mein Tipp an dich: Mach' dir einen Plan für deine Woche, in dem du – eventuell auch gemeinsam mit dem Rest der Familie – deine beruflichen und privaten Termine offen durch­sprichst. Was steht wann an? Wann bin ich für die Familie unerreichbar? Wo möchte ich dabei sein? Was brauche ich zu welcher Zeit? Je transparenter du deine Zeit planst, umso besser können sich andere darauf ein­stellen. Wir haben zum Beispiel eine kleine Termin­tafel, ein klassischer Familien­kalender tut's auch – oder eben ein großes Papier. Macht einfach ein Familien­ritual daraus, das kann auch Spaß machen.

Mini-Elternzeit

Für mich waren gerade die ersten Monate nach der Geburt eine tolle Zeit: ich konnte flexibel von daheim arbeiten und gleich­zeitig sehr oft Zeit mit meinem Sohn verbringen. Weil meine Frau durch den Kaiser­schnitt noch ziemlich ein­geschränkt war, war das Gold wert. Außer­dem habe ich es einfach genossen, mal mit Baby im Tragetuch am Schreib­tisch zu stehen oder spontan eine Pause mit Spazier­gang einzulegen.

Diese Art der „Work-Life-Integration“ ist schön, aber auch manchmal ganz schön anstrengend. Denn schnell verwischen Grenzen zwischen Job und Familie und du bist nie ganz in einer Rolle. Da helfen nur drei Dinge: Abgrenzung, Abgrenzung und Abgrenzung. 😉

Mein Tipp: Überleg' dir am Vor­abend, wie du deinen Arbeits­tag strukturieren möchtest. Baue bewusst Zeiten zum Arbeiten und Zeiten zum Papa-Sein ein. Das schafft Transparenz und Verbindlichkeit für dich, für deine Partnerin und für dein:e Kind:er. Und außer­dem vermeidet es Stress, der sich ohne­hin negativ auf deine Beziehungen aus­wirkt.

Zeit für mich

Es ist schon paradox: vor dem Papa-Dasein war es völlig undenkbar, dass mal keine Zeit da sein würde für Rum­gammeln, Sport, Musik, Serie­gucken und einfach mal Nixtun. Und nun, wenig später, ist es ein unfassbarer Kraf­takt, mal Zeit für sich selbst freizuschaufeln und auch wahrzunehmen. Mein Anspruch, immer und überall 100% präsent zu sein, hat mich ganz schön auf­gerieben. So viel sei gesagt: diesen Anspruch solltest du, wenn du ihn von dir kennst, mal kritisch hinter­fragen.

Greg McKeown beschreibt in seinem hervor­ragenden Buch „Essentialism“ einen einfachen Weg, um zu über­prüfen, wie weit die eigene Energie eigentlich reicht. Male einen Kreis. Das bist du. Jetzt male für jedes Projekt und jede Rolle, die du hast und in die du Energie investierst, einen Pfeil. Das Problem ist: du hast nur 100% Energie, die du irgend­wie verteilen kannst. Wenn du dich auf zu viele Dinge gleich­zeitig konzentrierst, geht zu viel Energie verloren. Investierst du aber so viel Energie wie möglich in nur eine Sache, kommst du wesentlich weiter.

Mein Denk­anstoß an dich: Mach' Dates mit dir selbst aus. Baue im Home Office Zeiten der Ein­kehr ein, zu denen du dein Energie­niveau mal über­prüfst. Und dann mach', was dir gut­tut. Bekannte haben in ihrer Beziehung den „Aus­schlaftag“ eingeführt: Samstags schläft er aus, sonntags sie. So kommen beide mal auf ihre Kosten. Aber auch ein regel­mäßiges Achtsamkeits-Ritual kann Wunder wirken: jeden Abend 10 Minuten investieren, um 5 Dinge aufzuschreiben, für die du dank­bar bist. Du wirst merken, wie gut dir das tut – und das strahlst du dann auch aus. Klingt esoterisch? Tut aber nicht weg – und hey, im Home Office sieht dich dabei eh niemand.

Ausbruch aus der Isolation

So ein Home Office tut dem Arbeiten im Flow sehr gut, denn du kannst dir bewusst die für dich stimmige Arbeits­umgebung schaffen. Aller­dings solltest du deine sozialen Kontakte nicht vernachlässigen. Und weißt du was? Dafür musst du noch nicht einmal vor die Tür gehen. Der regel­mäßige Kontakt zu anderen Menschen (auch und vor allem außer­halb deiner Familie) ist für viele ein wichtiger Aspekt, warum sie das Home Office scheuen. Mit ein paar Tricks lässt sich diese Sorge aber leicht entkräften.

Mit meiner Freundin Nico Gugger habe ich zum Beispiel einen festen Termin, zum gemeinsamen Start in den Tag. Wir reden wie an der Büro-Kaffeemaschine virtuell über alles, was ansteht und geben uns Feed­back oder Bestärkung. Wenn du in einem Team arbeitest, sind informelle Chat­räume (zum Beispiel ein „Wasserspender-Channel“ in Slack) eine tolle Sache, um mit Kolleg:innen in Kontakt zu bleiben. Scheu' dich nicht, einfach auch mal einen kurzen Schnack mit anderen zu halten. Das Schöne an Slack oder Skype zum Beispiel ist die Status-Funktion: wenn jemand nicht gestört werden will, siehst du es so auf den ersten Blick. Funktioniert umgekehrt natürlich genauso.

Probier's mal aus: suche dir einen für dich wichtigen Kontakt und verabredet euch zum regel­mäßigen virtuellen Spazier­gang. Redet über das, was euch beschäftigt, woran ihr arbeitet und was euch sonst auf der Seele liegt. Danach geht's frisch an die Arbeit. Denke an regel­mäßige Pausen – die kannst du übrigens auch mit anderen Kolleg:innen virtuell gestalten. Video­chat sei dank, ist das kein Problem.

Home Office = Dein Office

Der beste Tipp, den ich dir aus meiner eigenen Erfahrung geben kann, ist, dein Home Office best­möglich nach deinen Vor­stellungen und Bedürfnissen einzurichten. Achte dabei besonders darauf, dass die Arbeits­umgebung deine Kreativität und deine Produktivität fördern sollte. Egal, ob nun Feng shui oder einfach mit einem Flip­chart an der Zimmer­tür – dein Arbeits­bereich ist der Ort, an dem du ins Tun kommst und dich mehrere Stunden am Tag auf­hältst.

Und im Zusammen­spiel mit deinen Lieben heißt das: Papas Home Office ist nur nach Absprache auch Familien­ort. Wenn dir kein separater Raum zur Verfügung steht, versuch' dir einen zu schaffen: setz' dich ins Schlaf­zimmer, in die Küche oder auf den Balkon. Wechsel' ruhig den Platz, aber achte darauf, dass es eine für dich stimulierende Umgebung ist. Denn je entspannter du von daheim arbeiten kannst, umso besser kannst du auch für deine Familie da sein.

Ein letzter Impuls: Working Out Loud ist eine spannende neue Bewegung in der Arbeits­welt, die Einsamkeit am Arbeits­platz und stummes Vor-sich-hinarbeiten ablösen soll. Schau' doch mal, ob du nicht bei gelegentlichen Pausen deine Familie berichtest, woran du gerade arbeitest. Vielleicht bekommst du ja spannende Impulse? Im besten Fall merken sie (und du), dass du echt produktiv bist!

Viel Spaß und Erfolg im Papa Office
wünscht dir

Dein Sven